
Quelle: Artikel im Hotelier 03.2024, Trinkgeld wird zum Risiko für Arbeitgebende, Martin Schwegler (Schwegler & Partner Anwälte und Notare AG (anwaltspraxis.ch))
Letzten Dienstag haben wir an unserem Webinar „Betrugsfälle vermeiden“ (indie-hotels.ch) die provokative Frage aufgeworfen, ob es nicht Sinn machen würde, das Trinkgeld im Betrieb ganz abzuschaffen. Dafür den Arbeitnehmern mehr Lohn zu zahlen. Voraussetzung wäre natürlich eine klare Kommunikation gegenüber dem Gast, vielleicht ein Kassenartikel „Trinkgeld“, der gebucht würde, insofern doch noch ein Trinkgeld gegeben wird (weil so üblich). Dieser würde beim Umsatz ins Plus und dann beim Lohnaufwand wieder als Aufwand verbucht. Dies nur eine Möglichkeit von ganz vielen Ansätzen, wie man die mühsame Administrationsarbeit, Trinkgeldtrickli der Mitarbeiter, Betrugsfälle, komplexe Verteilmechanismen und Buchhaltungsproblematiken aus dem Weg gehen könnte. Logisch ist, dass die höheren Sozialversicherungsabzüge irgendwo kompensiert werden müssten. Dahingehend muss die Branche aber so oder so Lösungen finden, umso mehr die Trinkgeldthematik auf der Liste des Fiskus steht, und du als Hotelier:e zuletzt die Verantwortung hast.
Ein aktueller Artikel im Hotelier und ein Beitrag in der Tagesschau von SRF vom letzten Donnerstag (Beitrag SRF Tagesschau Hauptausgabe) zeigen die Risiken für die Branche auf und beleuchten die unrechtmässige Praxis.
Trinkgelder wären oft sozialversicherungs- und steuerpflichtig
Sowohl in Art. 5 AVG als in Art. 7e der dazu gehörenden AHVG ist definiert, das „Trinkgelder, soweit sie einen wesentlichen Teil des Lohnes darstellen“, zum massgebenden Lohn gehören. Nach Auffassung des Bundesamtes für Sozialversicherung ist das dann gegeben, wenn das Trinkgeld zehn Prozent des Lohnes ausmacht. Logisch ist, dass wenn diese Grenze erreicht wird, auf diesen Beträgen sowohl Arbeitgeber- wie auch Arbeitnehmerbeiträge entrichtet werden müssen. Ebenso klar ist, dass Trinkgelder dann einkommensteuerpflichtig sind und dass sie auf den Lohnausweis gehören oder bei der Quellensteuer abgerechnet werden müssen.
Risiko ist einseitig auf Arbeitgeberseite!
Bekanntlich müssen Arbeitgebende die Sozialversicherungsbeiträge entrichten. Zeigt sich im Rahmen einer Kontrolle durch die Ausgleichskasse oder die Unfallversicherung, dass in den letzten Jahren mehr als zehn Prozent Trinkgelder arbeitgeberseits an einzelne Arbeitnehmende ausbezahlt wurden, hat der Arbeitgeber die darauf geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten, und zwar auch den Arbeitgeberanteil.
L-GAV trägt aktueller Situation nicht Rechnung
Gemäss Art. 9 Ziff. 3 L-GAV dürfen freiwillige Kundenleistungen wie Trinkgelder nicht ins Lohnsystem einbezogen werden. Damit ist sonnenklar, dass Trinkgelder nicht dem Betrieb gehören, sondern den Mitarbeitenden ausbezahlt werden müssen. Erlaubt ist einzig das System, in dem das Trinkgeld auf alle Mitarbeitenden im Betrieb verteilt wird und nicht nur beim Service bleibt. Ebenso klar ist, dass die Mindestlohnbestimmungen nach Art. 10 L-GAV ohne Einberechnung der Trinkgelder eingehalten werden müssen. Also auch dann, wenn diese arbeitgeberseitig wegen der Wesentlichkeit gegenüber der Ausgleichskasse abgerechnet werden. In solchen Fällen müssen Arbeitgebende ihren Anteil an den Sozialversicherungen draufzahlen, ohne diese in irgendeiner Form vom Trinkgeld abziehen zu können.
GastroSuisse entzieht sich der Verantwortung
Gemäß dem Beitrag in der SRF-Tagesschau (Beitrag SRF Tagesschau Hauptausgabe) sieht der Branchenverband GastroSuisse Trinkgeld nicht als Lohnbestandteil an und lehnte eine Stellungnahme ab. Offensichtlich ist, dass eine Änderung der aktuellen Trinkgeldpraxis ein heikles Thema für Politik und Verbände darstellen würde. Aber kann man dieses Thema wirklich ignorieren?
Transparenz und Chance?
Die zunehmende Nutzung elektronischer Zahlungsmittel schafft Transparenz über die Zuwendungen an Mitarbeiter. Dadurch wird immer deutlicher, ob die 10%-Grenze überschritten wird und Trinkgelder somit einen wesentlichen Bestandteil des Lohns ausmachen. Sollten Trinkgelder zukünftig in den Lohn eingerechnet werden, was unserer Ansicht nach unvermeidlich ist, werden die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge steigen.
Vielleicht kann das aber auch ein Argument sein, die Mitarbeiter in der Branche zu halten, da sowohl die Reallöhne erhöht werden, somit Sicherheit entsteht sowie auch die Absicherung nach der Pension verbessert wird.
Was habt ihr für Ideen? Lasst es uns wissen. Wir tragen die Inputs gerne zusammen und werden diese in einem nächsten Blog zusammenfassen. Damit wir alle davon profitieren können.